Einblicke in den italienischen Gemüseanbau

In Italien zeigt sich der Gemüseanbau in all seiner Vielfalt: Während in den Abruzzen ein Spinaterzeuger über 500 Hektar hinweg ausschließlich das grüne Blattgemüse kultiviert, gibt es anderswo kleine Produzenten, die gerade einmal 50 Hektar bewirtschaften. „Das ist dann schon etwas ganz anderes“, erklärt Felix Negri, seit sieben Jahren in der Bozener Niederlassung von KÖLLA tätig. Der Agrar-Experte gewährt einen Blick hinter die Kulissen des Gemüsegeschäfts in „Bella Italia“.

 

Das Geschäft ist auf jeden Fall eines: schnelllebig. Denn die Kulturen werden Jahr für Jahr neu gepflanzt und können nicht mal eben länger im Feld stehen oder lange gelagert werden. Um in diesem Tempo bestehen zu können, ist eine breite Aufstellung essentiell. „Für jede Produktgruppe haben wir ein bis zwei strategische Partner, mit denen wir sehr eng kooperieren: Felder werden im Vertragsanbau gemeinsam geplant, Absatzmengen garantiert und Programme genau durchgesprochen.“ Verteilt sind die Partner auf zahlreiche Regionen in Italien, wobei viele der Gegenden auf bestimmte Produkte spezialisiert sind. „Sechs Regionen sind dabei für den Export sehr interessant“, erklärt Negri, und geht ins Detail: Im Osten startet es mit den Abruzzen, wo ein langjähriger Partnerproduzent Blattspinat anbaut. Von dort aus südlich, in Apulien, findet er rund um Foggia „den besten Brokkoli“ im Winter, im Frühjahr grünen Spargel, außerdem Blumenkohl.

Weiter die Küste entlang, Richtung Stiefelabsatz, wachsen zartblättrigere Varianten – in der Gegend von Bari und Polignano, die italophilen Lesern als Bade- und Küstenorte bekannt sein dürften, werden Salate und Kräuter für den deutschen Markt angebaut: „Petersilie glatt und kraus, Dill, dazu bunte Salate wie Lollo rosso und biondo, Eichblatt oder Endivien“, zählt Negri auf. Auch Mangold und Staudensellerie gehören zum apulischen Angebot.

 

 

Spezialisierte Produktion

Weiter Richtung Westen, quasi am „Mittelfuß“ des Stiefels, liegt die Basilikata. „Dort arbeiten wir mit zwei engen Spezialisten zusammen: Der eine ist mittlerweile fast ausschließlich auf Kohlrabi spezialisiert und produziert diesen auf höchstem Niveau“, weiß Negri. Sizilien ist das vierte Gebiet, wo insbesondere Tomaten für den Export interessant sind. In Region fünf unserer „gedanklichen Gemüsetour“ geht es weiter ins südwestliche Kampanien, wo im südlich von Neapel gelegenen Battipaglia im großen Stil Babyleaf-Salate angebaut werden. „Dort werden Babyspinat, Rucola, Babyleaf-Mix, Mesculum oder Feldsalat produziert, vor allem in Treibhäusern. Man hat sich da wirklich voll spezialisiert“, betont der Bozener. Und die Kategorie wachse weiter, da man dafür wenig händische Arbeitskraft benötige, erklärt er – für Italiens Landwirtschaft ebenso wie hierzulande ein nicht zu unterschätzendes Argument.

 

Nicht immer für italienische Gaumen

Etwas weiter nördlich, nur wenige Kilometer von Pompeij entfernt, liegt noch der auf Lauchzwiebeln spezialisierte Standort Striano, dann vollendet Felix Negri den Überblick mit der sechsten Region, aus der KÖLLA Gemüse bezieht, dem Latium mit den Standorten Latina/Terracina, „das für mich schon fast interessanteste Gebiet“, das aus historischen Gründen auch als „italienische Pfalz“ bekannt ist. Dort wird eine Vielzahl an Produkten angebaut, „Radieschen, Mairübchen, Bundmöhren, Rettiche, Kohlrabi, mittlerweile auch Pak Choi“. Das Besondere bei den dort angebauten Gemüse-Kategorien: Sie gehen zu 100 % in den Export – „wenige Italiener essen diese Produkte“, schätzt Negri. Verfügbar ist von all den Produkten übrigens aktuell: „Alles. Es gibt nur immer Schwankungen – sobald es mehr regnet oder weniger die Sonne scheint, reagieren witterungsempfindliche Produkte wie Tomaten, Blumenkohl oder Brokkoli sofort – das ändert die Verfügbarkeiten und den Preis.“

Gerade in Latina sei derzeit schon viel Ware bereit, um nach Deutschland zu gelangen, vor allem Bundmöhren, Radieschen und Mairüben. Die Nachfrage lasse allerdings noch ein wenig auf sich warten, da der regionale Anbau länger ernten konnte, sodass der Absatz italienischer Ware aktuell noch etwas erschwert werde. Bei Salaten sei das Bild ganz anders: „Die Saison endete in Deutschland früher als sonst, so dass wir schnell mit einer hohen Nachfrage konfrontiert waren. Die italienische Produktion war darauf nicht ausgelegt, dort wurde gepflanzt wie in den Vorjahren. Teilweise ist die Verfügbarkeit daher gerade noch begrenzt, die Preise sind eher hoch“, berichtet Negri. Bei Blumenkohl sei das Angebot derzeit auch noch geringer, doch aufgrund des Drucks aus anderen Produktionsländern werde nun eben trotzdem geladen, erklärt er pragmatisch.

 

Pro Planung, vor allem bei Klimakapriolen

„Im Großen und Ganzen beobachten wir in Italien die gleichen Probleme wie in anderen Ursprungsländern“, schätzt der Bozener, als ich nach aktuellen Hindernissen im Anbau frage. „Die Situation wird immer herausfordernder, man versucht also immer häufiger, auch beim Gemüse Sorten und Gebiete zu finden, die widerstandsfähiger gegenüber extremen Wetterereignissen sind“, berichtet er. Für manche Produkte gelinge das, für andere werde der Anbau schwieriger, z.B. für Lauchzwiebeln, wo sich Ägypten als neues Ursprungsland etabliere. Das sich wandelnde Klima führe zu einem steigenden Risiko für die Erzeuger, die dadurch ihre Felder nach stetigem Erhöhen der Flächen nun deutlich vorsichtiger planten.

„Wir sichern uns durch sorgfältige Vertragsplanung die Felder mit den Erzeugern vor der Saison, denn auf dem freien Markt findet man die Mengen dann nicht mehr“, erklärt er. Das werde in Zukunft für Erzeuger und Kunden gleichermaßen immer wichtiger: „Sonst riskiert man, ohne Ware dazustehen.“ Während die für den Obstanbau bekannte Region Emilia-Romagna in diesem Jahr erneut Überschwemmungen meldete, sehen sich zwei andere Gebiete im Süden Italiens mit starker Trockenheit konfrontiert: Sizilien, das schon länger gegen den inzwischen mitunter dramatischen Wassermangel kämpft, und nun auch die apulische Region Foggia.

„Es ging in diesem Jahr wirklich so weit, dass die Gemeinden keine Bewässerung für einjährige Kulturen erlaubten“, berichtet mir Negri. Somit sei z.B. Brokkoli in diesem Jahr deutlich später gepflanzt worden, was zu einem verspäteten Saisonstart geführt habe. „Das werden wir in Zukunft immer häufiger erleben“, schätzt er.

 

Entwicklung im Gemüseanbau

Apropos Zukunft: Welche Trends beobachtet er im Gemüseanbau?
„Wir sehen immer öfter Hydroponik-Glashäuser in Deutschland, die ganzjährig Kopfsalat produzieren“, was Auswirkungen auf Produktion und Mengen in Italien habe. Auch der Einsatz maschineller Arbeit für den bereits erwähnten Babyleaf- Salatanbau in Battipaglia nehme an Bedeutung zu, auch wenn dort z.T. mehr produziert werde als der Markt aufnehmen könne. Die Konsumtrends zu gesunder Ernährung und asiatischem Gemüse finde man auch auf den Feldern wieder, wo Pak Choi und Chinakohl an Präsenz gewinnen. Und in der eigenen Arbeit?

 

Die Herausforderungen für den Gemüseanbau in Italien sind groß: Klimawandel, steigende Produktionsrisiken und veränderte Konsumtrends verlangen neue Ansätze und eine engere Zusammenarbeit zwischen Produzenten und Abnehmern. Wie der KÖLLA Spezialist Felix Negri betont: „Zukünftig wird der freie Markt immer weniger Ware bieten – Planung und Verbindlichkeit werden entscheidend sein.“

 

 

 

Erschienen im Fruchthandel | KW 47-48 | 2024 | Inga Detleffsen | Fotos: KÖLLA

 

 

Dezember 2024