Mit Umsicht und Fingerspitzengefühl:
Zum Start der diesjährigen Kirschen-Saison in der Türkei sprach das Fruchthandel Magazin mit Gündüz Sadak, Managing Director KÖLLA München. Die Ernte der vorrangig für den Inlandsmarkt bestimmten weichen Sorten startete bereits Anfang Mai. Mitte des Monats brachte KÖLLA dann erste Luftfrachtsendungen nach China, Hongkong und Taiwan auf den Weg, in Kürze sind auch Kühl-Lkw mit frischer Ware zu den europäischen Kunden unterwegs.
Autor: Michael Schotten
Gündüz Sadak zeigt sich hinsichtlich des Saisonstarts für türkische Kirschen alles in allem zufrieden, speziell vor dem Hintergrund der durch die Corona-Pandemie sehr schwierigen internationalen Situation in Anbau und Vermarktung. „Wir haben zum Saisonstart für die weichen Kirschen im türkischen Markt Kilopreise von über 50 Euro erzielen können, inzwischen hat sich das Preisniveau aber wieder normalisiert. Aus den Regionen habe ich die Information, dass die Erntemengen und die Qualität dieser frühen Ware sehr ordentlich waren. Mit der Ernte der festen Kirschen haben wir Mitte des Monats begonnen, auch hier sind Mengen- und Qualitätsberichte sehr vielversprechend. Es hat kürzlich noch einmal stärkere Regenfälle gegeben, die sehr positiv für die Entwicklung der Früchte waren, denn die Bäume konnten noch einmal Wasser aufnehmen. Auch das windstille Wetter in der letzten Zeit ist ein klarer Vorteil. Sollte die Temperatur in der aktuellen Hitzewelle von bis zu 38 Grad Celsius noch weiter ansteigen, könnte sich dies aber eventuell negativ auf die Qualität der Kirschen auswirken“, sagt Gündüz Sadak.
Hinsichtlich der Corona-Pandemie betritt die Branche absolutes Neuland, auch die Aufnahmefähigkeit der Märkte ist so schwierig einzuschätzen wie wohl selten zuvor.
„In dieser besonderen Situation habe ich auch keinerlei Erfahrungswerte, es gab bis dato einfach nichts Vergleichbares; und das Marktgeschehen ist folglich auch nicht einfach zu bewerten. Angesichts der Millionen von Menschen in Kurzarbeit, auch in Deutschland, und der ungewissen wirtschaftlichen Aussichten wird es für viele Verbraucher sicherlich schwierig bzw. unmöglich sein, ihren gewohnten Konsum aufrecht zu erhalten. Es wird daher eine Herausforderung sein, ein der Situation angemessenes Preisniveau zu finden. Hier sind Umsicht und Fingerspitzengefühl gefragt.“
Internationale Märkte
Zum Zeitpunkt unseres Gesprächs wurden Kirschen für palettenweise Luftfrachttransporte nach China, Hongkong und Taiwan geerntet und konfektioniert, die via Istanbul mit Turkish Airlines in die Zielmärkte ausgeflogen werden. Im Rahmen fester Lieferprogramme werden zudem für Anfang der KW 23 die ersten Lkw-Transporte in Richtung europäischer Abnehmer programmiert. Probleme aufgrund von fehlenden Erntehelfern gebe es in der Türkei im Gegensatz zu zahlreichen anderen Ländern nicht, betont Sadak. Vor allem, weil die Flächen der Betriebe durchweg sehr klein sind und das Pflücken zum Großteil in Eigenregie durch die Familien erfolgt. Größere Auswirkungen der Corona-Krise sind jedoch in den Packstationen spürbar, wo die Hygiene- und Sicherheitsbestimmungen Sadak zufolge sehr streng sind und konsequent beachtet werden müssen. „Es gibt auf dem Boden überall Markierungen, an die sich die Mitarbeiter strikt halten müssen, um den erforderlichen Sicherheitsabstand gewährleisten zu können. Auch der Mund- und Nasenschutz muss während der Arbeitszeit getragen werden. Sollte dies bei Kontrollen nicht der Fall sein, kann es sein, dass der Betrieb schließen muss. Außerdem wird die Körpertemperatur der Arbeitskräfte mehrfach täglich gründlich gemessen.“ Fest steht, dass die türkischen Obst- und Gemüseausfuhren zuletzt von dem angespannten und sich in der Corona-Krise weiter verschlechternden Handelsklima zwischen den USA und China profitieren konnten. Erst kürzlich hatte der türkische Staatssender TRT unter Berufung auf die Western Mediterranean Exporters Association berichtet, dass sich immer mehr Länder für die Türkei als Lieferland entscheiden. Hierdurch seien im ersten Quartal Wertzuwächse von mehr als 27 % erzielt worden. Dazu zählen Russland, im Kernobstbereich Indien und eben auch China, das seinen Markt auch immer stärker für Kirschen aus der Türkei öffnet. Auch für KÖLLA haben sich die Exportchancen durch die neue Situation deutlich verbessert, sagt Gündüz Sadak. „Solange sich diese Akteure nicht einigen können, gibt es für den türkischen Kirschenexport auf jeden Fall einen Riesenmarkt. Aber auch darüber hinaus wird China die Herkunftsquelle Türkei weiterhin nutzen wollen, alleine schon, um weniger von anderen Lieferanten abhängig zu sein. Da bin ich zuversichtlich.“
Fruchthandel Ausgabe 21/22 2020