Vom Winde verweht …

Unter denkbar schwierigen Voraussetzungen ist die Kirschensaison in der Türkei gestartet. Kurz vor der Ernte hatten heiße Mittelmeerwinde in den frühen Regionen große Mengen nicht ausgereifter Ware von den Bäumen geweht. Beträchtliche Fehlmengen sind das Ergebnis, mancher Erzeuger hat wohl einen Totalausfall erlitten. Die Preise sind im Ursprung rasch in die Höhe geschossen und sorgen nun zwangsläufig für Forderungen, die einige Wochen zuvor nicht absehbar waren.

Selten habe er eine vergleichbare Situation erlebt, sagte Gündüz Sadak, Managing Director KÖLLA München. „Ich war erst kürzlich in den Anbaugebieten unterwegs und habe mir ein realistisches Bild von den Ernteverlusten und der Situation der Erzeuger machen können. Einige stehen komplett mit leeren Händen da. Als Folge der Ernteausfälle haben wir es teils mit Aufschlägen von hundert Prozent zu tun. Dies hat vor kurzem natürlich niemand auf dem Zettel gehabt. Das Problem dabei ist einfach, dass der Lebensmitteleinzelhandel drei bis vier Wochen im Voraus Preise hören möchte. Doch diese gehen in diesem Jahr vollkommen an der Realität vorbei und decken die tatsächlichen Kosten nicht im Geringsten ab. Es wurde zwangsläufig viel zu niedrig kalkuliert“, so Sadak. Momentan fließe auch noch sehr wenig Ware nach, sodass die Preise in der Produktion stabil auf hohem Niveau blieben. „Dies wird sich voraussichtlich erst wieder normalisieren, wenn die späteren Anbaugebiete in Produktion kom-men. Aber die jetzige Situation ist bitter, vor allem kleinere und mittlere Unternehmen geraten dadurch in eine schwierige Situation.“ Sehe es quantitativ nicht berauschend aus, so sei zumindest die Qualität der Kirschen sehr gut. „Derzeit dominieren große Kaliber das Bild, lediglich die Farbausprägung ist etwas zu hell.“

Mehr Sensibilität für den Markt

Gündüz Sadak gibt – auch mit Blick auf die LEH-Kundschaft in Deutschland und Westeuropa – zu bedenken, dass chinesische Käufer in der Türkei nur darauf warten, Ware zu fast jedem Preis zu kaufen. Dabei handele es sich noch nicht einmal um kontrollierte und zertifizierte Ware, wie KÖLLA sie ausschließlich anbiete. „China hat bereits stark in den Kirschenanbau in der Türkei investiert und ist zahlreiche Partnerschaften eingegangen. Wohl auch, um von den USA unabhängig zu sein.“ Dies sei für die türkischen Erzeuger verlockend, sodass der Druck auf das türkische Angebot aus Fernost wohl weiter steigen werde. Den Einkäufern im „Westen“ müsse dies aber stärker bewusst sein. Und noch in einem anderen Punkt wünscht sich Gündüz Sadak etwas mehr Fingerspitzengefühl. „Wir wollen Food Waste vermeiden, wann immer es geht. Dazu müssten die Kirschen aber in Kunststoffschalen, die wiederverschließbar sind oder am besten gleich in Carry Bags, verkauft werden. Dann hätte man auch die Möglichkeit, eine einzelne saftende Frucht unter Wahrung der Hygie-nebestimmungen herauszunehmen und nicht gleich ein halbes Kilo-gramm hochwertiger Kirschen weg-zuwerfen.“ Umso intensiver arbeite KÖLLA mit seinen Produzenten weiter daran, optimierte nachhaltige Verpackungslösungen zu finden, um allen Parteien gerecht zu werden, so Gündüz Sadak.

Fruchthandel Ausgabe 22 vom 04.06.2021 / Verfasser: Michael Schotten